Schöne Ansichten: Völklinger Hütte (4)

1  2  3  4 

Home

Bamberg

Wiesloch

Berlin: Wedding

Völklinger Hütte

Galerie
 Seite 1
 Seite 2
 Seite 3
 Seite 4

Von außen unscheinbar und von Zeit und Arbeit gezeichnet, eröffnet sich dem heutigen Betrachter hinter diesen Mauern das wohl größte Wunder, das die Völklinger Hütte zu bieten hat: die Gebläsehalle. Vom Gelände des eigentlichen Hüttenwerks aus Platznot getrennt, geschah hier folgendes: Das aus den Hochöfen entströmende Gichtgas wurde — nachdem ihm seine Hitze in den Cowper-Türmen zum Zweck der Heißwinderzeugung weitgehend entzogen worden war — über ein mehrere hundert Meter langes Rohrleitungssystem und über die dazwischenliegende Rathausstraße hinweg in die Gebläsehalle geführt.

Hier empfingen die im Lauf der Zeit nach und nach errichteten Gebläsemaschinen die unter Überdruck stehenden Gase, in denen das Gas zur Zündung gebracht und die dabei freiwerdende Energie in Bewegung verwandelt wurde. Die Bewegung wurde über eine Schubstange auf das gigantische Schwungrad übertragen, mit dessen Hilfe wiederum die angesaugte Frischluft auf den für die Hochofenbefeuerung erforderlichen Druck verdichtet und als noch kalter Wind über die Straße zurück in die Hütte geschickt wurde, wo er in den Cowper-Türmen auf Temperatur gebracht und endlich in die Öfen gepreßt wurde. Das Bild zeigt den Gebläsezylinder, in dessen Innerem im Falle der MAN-Gebläsemaschine ein Kolben von 2,20 m Durchmesser Wind erzeugte.

War die Gebläsehalle etwa um die Jahrhundertwende errichtet worden mit der Vorgabe, Platz für drei Gebläsemaschinen zu bieten, zeigte sich bald, daß dies für die rapide wachsende Produktion der Hütte nicht ausreichte. So wurde bereits 1904 ein erster Anbau vorgenommen, dem noch weitere folgten, bis die Halle 1938 ihren maximalen Ausbaustand erreicht hatte und mit zehn Gebläsen für den nötigen Wind in den sechs Öfen sorgte. Von diesen zehn Anlagen sind heute noch sechs in der Halle vorhanden, von verschiedenen Herstellern und aus unterschiedlichen Baujahren.

Vom oben gezeigten Gebläse aus gesehen am anderen Ende der Maschine befindet sich das riesige Schwungrad von fast 6 Metern Durchmesser, das über den Antriebskolben, den Pleuel und ein Kreuzgelenk in Rotation versetzt wurde. Im Falle der MAN-Anlage rotierte das Schwungrad mit etwa 80 Umdrehungen pro Minute, die erzeugte Leistung lag bei 670 PS. Von den in der Gebläsehalle erhaltenen 6 Maschinen wurde bei den 4 älteren, zwischen 1905 und 1908 errichteten Anlagen die am Schwungrad anfallende Bewegungsenergie ausschließlich mechanisch an den Gebläsezylinder zur Winderzeugung angekoppelt. Die beiden moderneren Maschinen von 1914 nutzten die Bewegungsenergie mit Hilfe eines angekoppelten Generators zusätzlich zur Stromerzeugung.

Hier noch einmal eine Gesamtansicht der Gasgebläsemaschine, die quer zur Hallenlängsachse installiert eine Gesamtlänge von über 25 Metern besitzt.
Wie auf diesen Seiten mehrfach angesprochen, erlangte die Völklinger Hütte unter anderem wegen der innovativen Nutzung der bei der Verhüttung anfallenden Gichtgase großen Ruhm. Angesichts der Gasgebläsemaschinen, die als Gasverbrennungsmotoren die im eigenen Werk erzeugten Emissionen als Antriebsenergie nutzten, lohnt noch einmal eine kleine Gesamtaufstellung des Einfallsreichtums, mit dem dieser Aspekt in Völklingen ingenieurtechnisch adressiert wurde:

  • Winderhitzung in den Cowpertürmen
  • Verbrennungsenergie zum Antrieb der Gebläsemaschinen
  • Zusätzliche Heizenergie für die Koksbatterien der Kokerei
  • Wärmeenergie für das in unmittelbarer Nachbarschaft liegende Warmstahlwalzwerk

Die in der Gebläsehalle hier und da präsentierten Werkzeuge und Bauteile aus dem Inneren der Maschinen erwecken beim Betrachter den Eindruck, sich auf einem Spielplatz für Riesen aufzuhalten. Der abgebildete Pleuel stellte die Verbindung zwischen der vom Gaszylinder bewegten Schubstange und dem Schwungrad her. Zum Vergleich: Das links davon senkrecht im Boden verschraubte schwarze Eisenrohr hat eine Höhe von etwa 90 cm.

Wie oben erwähnt, sind von den zur Vollausstattung zählenden zehn Gebläsemaschinen heute noch sechs vorhanden. Der verbleibende freie Raum in der Gebläsehalle ist heute als offene Bühne mit bestuhltem Zuschauerraum eingerichtet und wird für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Das Bild — aufgenommen im Zwischenraum zwischen zwei Gebläsemaschinen mit Blick zur Vorderfront der Halle — vermittelt mit den hohen Rundbogenfenstern der Gebläsehalle nur einen schwachen Abglanz des Eindrucks, der sich dem Besucher aufdrängt: sich in einer wahren Kathedrale der Technik aufzuhalten. Tatsächlich verfügt die Gebläsehalle über eine außergewöhnlich gute Akustik mit langen Nachhallzeiten, die denen in einer Kirche ähneln. Was heute zum kulturellen Mehrwert beiträgt, war freilich während des Betriebs eine Pein: Auch in der Gebläsehalle verursachten die riesigen Maschinen ein Lärminferno, das jede Unterhaltung unmöglich machte.

1  2  3  4