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Berlin: Wedding
Völklinger Hütte
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Hier ist — in der Bildmitte von einem
Schutzblech umgeben — die Abstichöffnung eines der 6
Völklinger Hochöfen zu sehen. Unterhalb davon
verläuft zum linken Bildrand hin die Rinne, durch die das
flüssige Eisen in den bereitstehenden Behälter
abfloß und von der Werkseisenbahn zur Weiterverarbeitung
wegtransportiert wurde. Zuvor wurde auf der gegenüberliegenden
Ofenseite und etwa einen Meter weiter oben die auf der
Eisenschmelze schwimmende Schlacke abgestochen. Jeder der zwischen
1882 und 1916 errichteten Völklinger Hochöfen produzierte
täglich 1200 Tonnen Eisen. Umgerechnet auf Güterwaggons
ergab dies eine Jahresproduktion, mit der man einen Zug hätte
beladen können, der von Völklingen nach Berlin und
zurück gereicht hätte.
Über die schräg von oben herangeführten und dann
waagerecht in den Ofen einmündenden Rohre wurde der in den
Cowper-Türmen erhitzte Heißwind in den Ofen eingeblasen,
um die zur Schmelze erforderliche Temperatur zu erreichen. Die
Windmenge lag dabei in der Größenordnung von etwa 400000
m3/h.
Bei dem im linken Bildhintergrund zu erkennenden metallisch-grauen
Gerät handelt es sich um eine Vorrichtung, mit der das
Abstichloch maschinell aufgebohrt und nach dem Abstich wieder mit
Schamottmasse verstopft wurde. Dazu wurde die Vorrichtung um
90° vor den Ofen geschwenkt und anschließend wieder
zurückgeschwenkt. Es versteht sich, daß dieser
Arbeitsgang in den frühen Jahren der Eisengewinnung von den
dafür eingeteilten Arbeitern unter Lebensgefahr mit Hacke und
Schaufel vorzunehmen war. Kaum vorstellbar ist, daß das heute
jedermann geläufige Bild der Stahlwerker, die im Asbestmantel
ihre Arbeit verrichten, erst in den 1960er Jahren entstand. Zuvor
fehlte in den Unternehmensleitungen jedes Gefühl, für den
Schutz der Arbeiter verantwortlich zu sein. Die bis dahin
übliche "Schutzkleidung" bestand aus weiter nichts als einem
Blaumann und einem Filzhut, ergänzt durch nasse Wickel gegen
die Hitze und einer Aluminiumschürze gegen den Funkenflug, die
sogenannten "Hüttenflöhe" (deren lustiger Name freilich
in keinem Verhältnis zu ihrer Gefährlichkeit stand: Ein
einziger Funke genügte, um einem Arbeiter ein Auge zu rauben).
Die im Umfeld des Hochofens herrschende Hitze war so gewaltig,
daß die dort Arbeitenden einen täglichen
Flüssigkeitsbedarf von 12 bis 14 Litern entwickelten.
Bereits im 19. Jahrhundert wandte man sich im Hochofenbau von dem
ursprünglichen Konzept ab, die Öfen massiv aufzumauern.
Stattdessen entblößte man den Ofen von seiner
Mauerverblendung, so daß fortan der Stahlmantel zu seiner
äußeren Signatur wurde. Zugleich entstand durch den
Wegfall der den Mantel umhüllenden Einmauerung ein neues
technisches Problem: das der Wärmeabfuhr. Es liegt auf der
Hand, daß sich angesichts der Funktion des Hochofens, Eisen
zu schmelzen, seine eigene eiserne Haut permanent in einem
thermischen Grenzbereich befindet. Die innere Auskleidung des 3 cm
dicken Stahlmantels mit 60 bis 100 cm starker feuerfester
Schamottmasse (die sogenannte Zustellung) reicht als thermischer
Puffer hierbei nicht aus. Aus diesem Grund muß der Hochofen
im Betrieb ständig gekühlt werden.
Knapp unterhalb der Gicht wurde deshalb Wasser auf der gesamten
Außenhaut des Hochofens verteilt. Die Errichtung einer
Eisenhütte war daher nur in unmittelbarer Nähe eines
Flusses vorstellbar — im Falle der Völklinger Hütte
die Saar. Für den Transport des Wassers zu den Öfen und
anderen wasserverbrauchenden Anlagen sorgten die im Pumpenhaus
installierten Pumpen, von denen es insgesamt 20 gab.
Zusätzlich verfügte die Hütte über einen
Wasserturm, mit dem im Falle eines Pumpenausfalls die Kühlung
der Hochöfen sichergestellt werden sollte. Im Vollastbetrieb
aller sechs Öfen verbrauchte die Hütte täglich rund
0,11 Millionen Kubikmeter Kühlwasser — im Verlauf eines
Jahres also 40 Millionen Kubikmeter (oder 40 Milliarden Liter). Das
erwärmte Kühlwasser gelangte mit einer Temperatur von
38° zurück in die Saar.
Die im Bild zu erkennenden schräg nach oben weisenden
Rieselbleche hatten die Aufgabe, das am Stahlmantel nach unten
rinnende Kühlwasser möglichst gleichmäßig
über die Ofenhaut zu verteilen. Durch mitgeführten Staub,
Flugasche und sonstige Verunreinigungen kam es immer wieder zu
Unregelmäßigkeiten in der Wasserverteilung. Aus diesem
Grund hatten in Völklingen zwei Arbeiter nichts anderes zu
tun, als Tag für Tag die 475 Rieselbleche jedes der 6
Öfen zu kontrollieren und erforderlichenfalls zu reinigen.
Mit dem in der Bildmitte zu sehenden großen Flanschdeckel in
der Ofenhaut hatte es eine besondere Bewandtnis. Obwohl der
Hüttenbetrieb seiner Natur nach ohne jede Unterbrechung,
pausenlos und rund um die Uhr vonstatten geht, setzt sich der
Hochofen im Laufe der Zeit doch auf Grund von Ablagerungen und
unvollständiger Verbrennung mehr und mehr zu. Minderleistung
und erhöhter Schadstoffausstoß sind dann die Folge. Nach
etwa 8 bis 10 Jahren endete in Völklingen eine "Ofenreise",
wie die Zeit zwischen dem Anfahren und einer Betriebspause eines
Hochofens sehr poetisch genannt wird.
Danach galt es, den im Ofen sitzenden "Eisenbären"
auszutreiben, also die am Ofenrand konzentrisch abgelagerten
Eisenmengen von bis zu 2 Metern Stärke und insgesamt 180
Tonnen Masse abzulösen — in der Hütte wurde dann
zur "Bärenjagd" geblasen, was grundsätzlich am Wochenende
von Samstag bis Dienstag geschah. Um den Betrieb später
möglichst schnell wieder aufnehmen zu können, wurde der
Ofen nur halb heruntergefahren: Die Ofenrast wurde zunächst
mit einer 3 Meter dicken Sandschicht abgedeckt, um die Hitze
einigermaßen zu isolieren. Anschließend wurde durch den
geöffneten Flansch ein Arbeiter in das Ofeninnere abgelassen,
der die Ablagerungen zu inspizieren hatte. Aufgrund seiner Befunde
wurden Stellen festgelegt, wo durch kontrollierte Sprengungen
möglichst viele Ablagerungen abgelöst werden konnten, und
der Arbeiter wurde erneut in den Ofen gelassen, um die
Sprengsätze zu installieren. Hierbei mußte darauf
geachtet werden, den Arbeiter spätestens nach zwei Minuten
wieder nach draußen zu ziehen, da er sonst die
mörderische Hitze im Ofeninneren nicht überlebt
hätte.
1986 ging die Völklinger Eisenzeit, nach der langen Agonie der
vorausgegangenen Stahlkrise, endgültig zu Ende —
zumindest, was den Betrieb der Hütte angeht. Seither wachsen
die beiden Schlackeberge nicht mehr, die im Volksmund liebevoll
"Hermann und Dorothea" nach dem gleichnamigen Schauspiel Goethes
genannt werden.
Das benachbarte Stahlwerk blieb weiter in Betrieb und wird heute
mit Roheisen aus der Dillinger Hütte versorgt. Die dort
installierten Hochöfen erzeugen täglich 7000 Tonnen
Eisen, also fast das Sechsfache der Völklinger Öfen.
Für den Transport des flüssigen Eisens werden stark
isolierte Spezialwaggons eingesetzt, die es ermöglichen,
daß nach 18 km Strecke und 22 Minuten Fahrt bei
der Ankunft in Völklingen von der Ausgangstemperatur von
1450 °C lediglich 1,5 °C Wärmeverlust zu beklagen sind.
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